Die Straße der Wildnis

Vildmarksvägen,ein Name, ein Versprechen: Die Straße der Wildnis.

Doch wer glaubt, Elche, Luchse und Bären würden über den Weg schleichen, der erwartet hier nur die verdichteten Bilder aus zahllosen Tierdokus und nicht das echte Leben. Es sind keine fordernden Allradpisten, keine felsigen Anstiege und keine Geisterdörfer, es ist ein anderer Mythos, der hier lebt.

Die Rundtour beginnt in Stromsünd, wo die gut ausgebaute E45 nach Vilhelmina führt. Gut asphaltiert führt sie durch dichte Wälder, öffnet friedliche Blicke auf unberührte Seen und lässt Kilometer ohne Gegenverkehr verstreichen. Karge Dörfer mit wenigen roten Holzhäusern, alles in einer spektakulären Unaufgeregtheit.

Unmerklich wandelt sich mein Begriff von Wildnis. Es ist Weite und bewußt wahrgenommene Einsamkeit. Ohne Zeit, weil ohne Ziel, bewege ich mich entlang der Straße, halte an und halte inne:

„Du siehst mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit“, aus Wagners Parsifal fiel mir spontan ein.

Noch einsamer wurde es auf einem 30 km langen Abstecher nach Norräcker entlang des Tasjö Sees. 80 Menschen leben hier und die Hälfte davon traf ich in einem kleinen Tante-Emma-Laden, wo ich meine Camping-Gebühr bezahlen konnte. Ich erwiederte ihre freundlichen Blicke. Als einziger Gast stand ich abends direkt am kühlen See und mein Holzkohlegrill gab mir Wärme ab. Hier wird das Leben einfach.

Die Weiterfahrt nächsten Morgen führte mich entlang der anderen Seite des Tasjö-Sees zurüch nach Hoting. Eine buckelige Schotterpiste zwang mich zum langsam fahren. Ein Auto, ein rasender Holztransporter und ein grasender Elch waren meine einzigen Begegnungen. 

Die Reise entlang der Straße führte mich immer weiter, tiefer in die Einsamkeit, kein schönes Wort für ein erhabenes Gefühl, bis ich schließlich erkannte: Diese Straße ist mehr als nur eine Verbindung zwischen Orten. Sie ist eine Metapher für den Weg nach innen, für den Weg zu sich selbst. Mit diesem Gefühl unterwegs zu sein, konnte ich alte Gedanken loslassen und mich öffnen für neue Einsichten.

Ich fuhr noch die gesamte Strecke des Vildmarkvägens, fand noch phantastische Landschaften, es wurde noch steiler und unwirtlicher, bei einigen Nebenstraßen mußte ich umkehren, es war zu matschig, andere Blicke liessen mich die Zeit vergessen.

Und dann, in Gäddede bei einem kühlen Sonnenuntergang am Ufer des stillen Sees spürte ich eine schwerelose Verbundenheit mit der Natur und mit mir selbst. Die Vildmarksvägen hat mir gezeigt dass die größte Wildnis in deinem Inneren beginnt. Manchmal muß man auf eine unbekannte Straße abbiegen um seinen Weg zu finden.